Niederösterreich

Essen in Niederösterreich

Das Wort Niederösterreich ist — auch im kulinarischen Sinn — eine starke Untertreibung. Jenes Bundesland, das etwa mit der Wachau, dem Wienerwald, dem Semmering und dem Nibelungengau einige der bekanntesten Landstriche der Welt birgt, hält auch für den Feinschmecker jede Menge Genüsse, ja geradezu Hochgenüsse bereit. Niederösterreich ist ein weitläufiges Land, und jede Region hat ihre typischen Landesprodukte sowie – damit untrennbar verbunden – eine unverwechselbare Küche.

Bratl, Knödel und Co. – das köstliche Waldviertel

Beginnen wir unsere kulinarische „Tour d´horizon“ gleich im „Hohen Norden“ des Landes, im Waldviertel, das der niederösterreichische Dichter Robert Hamerling einmal schwärmerisch als „die schönste Gegend der Erde“ besungen hat. Heute gilt dieses unverfälscht gebliebene Bauernland gleichermaßen als „Landfluchtpunkt“ großstadtmüder Intellektueller wie als Zentrum des biologischen Landbaus, der revitalisierten alten Bauerngärten, der Aufzucht von Karpfen, Schleien und Hechten, der Produktion von Schaf- und Ziegenkäsen sowie des Anbaus von Mohn. Auch einige Klassiker der heimischen Küche – etwa die Waldviertler Knödel als klassische Beilage zum Schweinsbratl, die Waldviertler Mohntorte oder die deftig-würzigen Saumeisen mit Sauerkraut haben ihren Ursprung in dieser zwar kargen, aber doch auch gesegneten Landschaft. Geprägt wird die kulinarische Topografie des Waldviertels zwischen Krems und Gmünd, Zwettl und Horn, Yspertal und Thayatal vor allem von gemütlichen Landgasthöfen, die auf der Basis der vielen regionalen Produkte eine herzhafte und bodenständige Küche pflegen.

Wachau: Genießen im Marillenland

All die Köstlichkeiten dieser Küche findet man selbstverständlich auch in der an den südlichen Ausläufern des Waldviertels gelegenen Wachau, die mit ihren unverwechselbaren Rieslingen und Grünen Veltlinern zu den bekanntesten und besten Weinbauregionen der Welt zählt. Darüber hinaus begegnet man aber in Mautern, Unter- und Oberloiben, Dürnstein, Weißenkirchen und Spitz bis hinauf nach Emmersdorf und Melk auch zahlreichen Restaurants mit hochkreativer Küche und einer dem entsprechenden Weinkultur. In kulinarischer Hinsicht ist die Wachau vor allem auch das Land der Marille, aus der sich nicht nur herrliche Mehlspeisen wie die berühmten Marillenknödel zubereiten, sondern auch feinste Edelbrände destillieren lassen.


Vom Weinviertel zur Donau

Im Nordosten von Krems schließt sich an die Wachau das aus önologischer Sicht nicht minder ergiebige Weinviertel an, die wohl archaischste unter den österreichischen Weinlandschaften und quasi das Mutterland des Grünen Veltliners. Das Weinviertel ist daher auch kein Land der feinen Restaurants und fashionablen Hotels, sondern eines der kleinen, gemütlichen Buschenschenken, der urigen Wirtshäuser und durchaus ambitionierten Landgasthöfe. Diese findet man zwischen Retz und Poysdorf, Hollabrunn und Wolkersdorf, Korneuburg, Stockerau und Deutsch Wagram zwar nicht an jeder Ecke aber da weiß der Wirtshausführer Rat und führt zielsicher zu den besten Adressen.

Gegen Osten verflachen sich die Wellentäler der Weinviertler Lößböden zur „brettlebenen“ Region Donauland-Carnuntum, die klimatisch-geologisch bereits zur Pannonischen Tiefebene zählt und vor allem auch für die Ausgrabungen der ehemaligen Römerstadt Carnuntum bekannt ist. Geprägt wird die Landschaft von der Weite des Marchfelds, das nicht nur als Gemüsegarten Niederösterreichs, sondern vor allem als eines der weltweit renommiertesten Zentren der Spargelzucht gilt. Zelebrierte wird diese Spezialität nebst den nahe gelegenen Donaufischen quasi frisch vom Feld in zahlreichen Wirtshäusern und Restaurants zwischen Schwechat, Bruck an der Leitha und Hainburg an der Donau.

Wild & Co zwischen Buckliger Welt und Semmering

An der Bundeshauptstadt Wien vorbei gelangen wir nunmehr in den Wienerwald, der nicht nur durch den berühmten Walzer von Johann Strauß, sondern auch durch die gleichnamigen Hendln zu internationaler Berühmtheit gelangte. Wenn die Weinberge dann allmählich dem Hochgebirge weichen, betritt man, nordöstlich von Wiener Neustadt, die von nostalgischem Fin-de-Siècle-Flair erfüllten „Zauberberge“ rund um Rax und Schneeberg sowie die urtümliche „Bucklige Welt“: eine Region also, in dem vom Schneebergrind über herrliche Gebirgsbachforellen bis zu Gemsen- und Lammfleisch so gut wie alles gedeiht und die sich darum auch mit ihren hochklassigen Lokalen vom Dorfwirtshaus bis zum Top-Restaurant profiliert.

Das Mostviertel: Nicht nur Most!

Vom gebirgigen Teil Niederösterreichs gelangt man durch die Eisenwurzen ins Mostviertel, jene Region, die ihren Namen nach der „niederösterreichischen Landessäure“ trägt. Hier liegt die alte Korn- und Waffenkammer des Landes. Auf den Spuren der längst verblichenen Hammerherrenherrlichkeit kann man in so mancher mittlerweile zum Gasthaus mutierten Schmiede etwa in der Eisenwurzen, dem Ybbstal, Pielachtal oder Erlauftal ein saftiges Hammerherrenschnitzel verkosten. Der besonders fischreiche Lunzer See versorgt das Land darüber hinaus mit herrlichen Saiblingen und Seeforellen, und hier schöpft man aus Kuh- und Schafsmilch auch den pikant-frischen Schafsmischkäse.  Das Mostviertel trüge seinen Namen freilich zu Unrecht, spielte nicht auch der Obstwein aus Äpfeln und Birnen eine gewichtige Rolle bei Tisch: In prächtigen Gasthöfen und Wirtshäusern zwischen Haag und Waidhofen an der Ybbs, Lilienfeld und St. Pölten, Melk und Ybbs, Scheibbs und Wieselburg kredenzt man gerne eine Mostsuppe, ein Mostbratl oder einen verführerisch süßen Mostschober, einen in „Landessäure“ getränkter Biskuitkuchen.