Geschmorte Schweinsbackerl waren noch vor wenigen Jahren kein großes kulinarisches Thema. Nicht im Wirtshaus und schon gar nicht in einem Top-Restaurant. Doch die festfleischigen, aromatischen Kaumuskeln haben seither eine steile Karriere gemacht und stehen mittlerweile auf vielen Speisekarten in Lokalen aller Kategorien. Uns ging es daher darum, für die Schweinsbackerl, mustergültig zugeschnitten von unserem Partner, Radatz, dem Wiener Fleischhauer, ein ganz besonderes Rezept zu finden. Die Schweinsbackerl gibt es übrigens in jeder Radatz-Filiale, es empfiehlt sich jedoch, sie zwei Tage vorher zu bestellen, damit kein Wunsch unerfüllt bleibt.
Mit kräftigem Saucerl
Fündig wurden wir schließlich bei Alexander Lintner, einem jungen Küchentalent, der sich nach Stationen in den Wiener Lokalen Palais Kinsky und Freiwild gemeinsam mit seiner Frau Christina im Gasthaus Walzer in Gneixendorf selbständig gemacht hat. Dort wird zwar grundsätzlich bodenständig aufgekocht, man merkt aber doch, dass hier ein Könner am Herd steht. Das erwies sich auch beim Schweinsbackerl-Rezept. Den Zusatz auf dem Original-Rezept „…mit kräftigem Saucerl“ darf man nämlich ruhig wörtlich nehmen. Egal ob man zum Schmoren eine Rindssuppe oder einen Fond verwendet – das Ergebnis ist eine Sauce mit unglaublicher Geschmacksdichte, in der förmlich der Löffel steht.
Eine kleine Warnung
Eine Warnung müssen wir aussprechen: Zum Marinieren der Backerl unbedingt tatsächlich Fleur de Sel verwenden – wenn das nicht bei der Hand ist, die Dosierung zumindest halbieren! Und wir haben uns zwei kleine Freiheiten erlaubt: Weil es im Geschäft keine weißen Zwiebeln gab, haben wir besonders süße in Rosa verwendet und weil der von uns ins Auge gefasste Wirsing als Beilage ebenfalls nicht verfügbar war, griffen wir auf den Lauch zurück, der heuer so herrlich in unserem Garten sprießt. Ganz im Sinne der Ultra-Regionalität!
Kochen wie der Wirt – das würden wir doch alle gerne ab und zu. Wir bitten darum unsere Wirte, uns eines ihrer Lieblingsrezepte zu schicken und kochen dieses 1:1 nach, damit das Gericht auch bei Ihnen perfekt gelingt. Viel Spaß dabei – und bis zum nächsten Mal, beim Wirt.
Credits: Am Herd Klaus Egle und hinter der Kamera Elisabeth Egle
Diese Folge unseres Foodblogs entstand in Kooperation mit Radatz – dem Wiener Fleischhauer.
Rezept DownloadGeschmorte Schweinswangerl mit kräftigem Saucerl,
Liebstöckel-Kroketten und Lauchgemüse
Zutaten für vier Personen
Zum Marinieren
- 1 kg Schweinswangerl
- 1 Kardamomkapsel
- 4-5 Lorbeerblätter
- Pfeffer schwarz aus der Mühle
- 2 EL Fleur de Sel (wenn man normales Salz verwendet, nut ein gestrichener Esslöffel)
- 4-5 Stk. Wacholderbeeren gemörsert
- Zesten einer 1/2 Zitrone
- 30g Liebstöckel frisch gezupft
- 50 ml Walnussöl
- 4 Knoblauchzehen zerdrückt
- 2 mittelgroße weisse Zwiebeln grobwürfelig geschnitten
- 2 EL Kapern gehackt
- 3 EL Estragon Senf
Für die Zubereitung
- Butterschmalz
- Etwas Schweinefett
- ¼ Liter Riesling
- ½ Liter Grand Jus (intensiver Fond aus Rinder-, Kalbs- und Schweinsknochen und Teilen), oder Rindssuppe oder Kalbsfond
- Sauerrahm & Creme Frâiche
- weißer Balsamico
- Englischer Spezialsenf von Ramsa Wolf
- Etwas Mehl
- Frische Petersilie
Zubereitung
Das Marinieren
- die Wangerl 12h vor dem Zubereiten wie folgt ,,beizen“ (die Silberhaut der Wangerl dafür mit einem scharfen Messer leicht einritzen)
- 1 kg Schweinswangerl, 1 Kardamomkapsel, 4-5 Lorbeerblätter, Pfeffer schwarz aus der Mühle, 2 EL Fleur de Sel, 4-5 Stk. Wacholderbeeren gemörsert, Zesten einer 1/2 Zitrone, 30g Liebstöckel frisch gezupft, 50 ml Walnussöl, 4 Knoblauchzehen zerdrückt, 2 mittelgroße weisse Zwiebeln grobwürfelig geschnitten, 2 EL Kapern gehackt, 3 EL Estragon Senf;
- Alles gut ,,durchmassieren“, eine Frischhaltefolie fest draufpressen und für 12h kühlen und ziehen lassen.
Das Schmoren
- Vor dem Braten die Wangerl von den Gewürzen und Zwiebeln abputzen (in eine Schüssel, das wird noch gebraucht!)
- in einer Gußeisen- oder Kupferpfanne Butterschmalz und etwas Schweineschmalz erhitzen und die Wangerl darin schön knusprig goldbraun braten (erst nach dem Ausstechen leicht salzen und pfeffern)
- die Wangerl ausstechen, Fett abgießen und die ,,Gewürz-Zwiebelmischung“ im Bratenrückstand schwenkend durchbraten
- mit einem guten 1/4erl ,,Schotter Riesling“ ablöschen, wenn vorhanden einen 1/2l Grand Jus zufügen, ansonsten Rindsuppe oder Kalbsfond verwenden. Kurz aufkochen und die Wangerl wieder einlegen.
- Ca. 60 min. dünsten, nach der Garzeit ,,anstechen“ und kontrollieren, ob sie bereits weich sind, in diesem Fall ausstechen und mit Alufolie bedecken. (das gesammelte Safterl in der Folie wieder zufügen!)
Es gibt nun zwei Arten, das Saucerl zu finalisieren:
Erstens ganz naturell lassen, nicht mixen und so servieren wie sie ist, abschmecken eventuell etwas weisser Balsamico und frische Petersilie dazu.
Oder die Sauce mixen und mit etwas Sauerrahm-Mehl binden und zusätzlich mit etwas Creme Frâiche abschmecken.
Tipp von Alexander Lindner: 3 El Ramsa Englischer Spezialsenf und 2 EL Mehl glatt verrühren, auf eine Seite des Wangerls streichen und im Butterschmalz knusprig goldbraun braten, ergibt eine schöne Kruste (z.B.: 1 Portion sind 3 Wangerl, eines davon wird mit Kruste serviert, sieht gut aus und schmeckt noch besser).
Beilagenempfehlungen:
Sättigungsbeilagen: Butterspätzle, Topfen-Serviettenknödel, Liebstöckel-Kroketten,…
Gemüse: Fisolen, Kohlsprossen, Wirsing, Spargel grün…
Salat: Endivien, Chinakohl, Grazer Häuptelsalat…
Getränketipp von Klaus Egle: Blaufränkisch Ungerberg 2008 von Gerhard Pittnauer
Dass man Rotweine nicht zu jung „schlachten“ sollte, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Auf Rotweine von Gerhard Pittnauer trifft dies auf jeden Fall zu. Die Weine des Avantgardisten sind nämlich in der Jugend oft ganz schön kratzbürstig und alles andere als anbiedernd oder leicht zugänglich. Ein gewisser Vertrauensvorschuss lohnt sich jedoch, wie wir beim Blaufränkisch Ungerberg 2008 festgestellt haben. Nach rund zwei Stunden in der Karaffe präsentierte sich der Wein keineswegs alt sondern gerade einmal gut gereift. Immer noch mit viel Spannung, kraftvoller Struktur und dem einen oder anderen Gerbstoff-Widerhaken am Gaumen zeigte er doch auch das richtige Maß an Geschmeidigkeit, das für einen schönen Trinkfluss notwendig ist. Sagen wir es mal so: Obwohl jeder Schluck irgendwie gleich nach dem nächsten verlangt, wird es nicht fad, bis die Karaffe leer ist. Schön, wenn in einem Rotwein nach zehn Jahren so viel Leben drin ist!
Der Kontrapunkt macht die Musik
Als Begleiter zur mächtigen, dichten Sauce der Schweinsbackerl erwies sich der Blaufränkisch als idealer Partner, der den Gesamt-Geschmackseindruck nicht noch zusätzlich ausgefettet hat, sondern im Gegenteil einen reizvollen Kontrapunkt setzen konnte. Alles in allem eine mehr als gelungene Kombination, mit dem einzigen kleinen Wermutstropfen, dass es sich beim Wein um keine Magnumflasche gehandelt hat.