Gorfer Natur Gourmet: Aus voller Überzeugung

Reinhard Gorfer hat in einigen der besten Küchen Mitteleuropas aufgekocht, eher er im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner Frau Veronika daran ging, im ererbten Bauernhof eine Landwirtschaft mit eingebundener Gastronomie hochzuziehen. Was dann folgte, hört sich an, wie ein Abenteuerroman, doch so viel sei schon verraten: Es ist alles gut ausgegangen und heute ist das „Gorfer Natur Gourmet“ in Garsten bei Steyr ein Musterbeispiel dafür, wie Nachhaltigkeit in einem Landwirtshaus von der Scholle bis zum Teller funktionieren kann. 

Interview: Klaus Egle, Fotos: Elisabeth Egle

Dieses Interview ist Teil einer Serie zum Thema „Wirtshausführer Nachhaltig Wirten“. Es ist eine Kooperation von Wirtshausführer und METRO Österreich, das die Nachhaltigkeit als vorrangiges Unternehmensziel festgeschrieben hat. Gemeinsam stellen wir Wirte vor, die in vorbildlicher Weise Nachhaltigkeit täglich leben, in einer Branche, die mehr als andere im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. So machen wir ihre nachhaltigen Initiativen sichtbar und nachvollziehbar.

Zuerst steht man einmal staunend vor der ungewöhnlichen Sgraffito-Fassade dieses eindrucksvollen, von Kuhstall, Obstbaumwiese und Karpfenteich umgebenen Gastro-Bauernhofes. Und schon ist man mittendrinnen in der spannenden Geschichte eines gastlichen Hauses und seiner Bewohner.

Klaus Egle: Wie kam dieses Sgraffito auf ein altes Bauernhaus auf dem Land?

Reinhard Gorfer: Der Hof war, als wir ihn im Jahr 2000 übernommen haben, praktisch eine Ruine, da wurde 50 Jahre nichts gemacht. Es gab in keinem Raum einen Estrich und die Räume hatten nicht einmal eine normale Raumhöhe. In einem Raum haben wir dafür sieben Schichten Beton rausgearbeitet, alles händisch, alles selbst, weil wir einfach kein Geld für einen Bagger hatten. Das Problem war, dass die Fundamente bald aufhörten und da mussten wir die überall unterfundamentieren. Wir haben bei der Sanierung nur Kalkputze verwendet und überall die Fußbodenheizungen bis in die Wände hinaufgezogen, dadurch haben wir heute nirgends Feuchtigkeit im Haus. Man sammelt ja mit der Zeit ein ganz schönes Wissen über Althaussanierung an. Wir haben versucht, alles, was nur möglich war, zu erhalten oder zu restaurieren.

Klaus Egle: Und wie ging es dann weiter? 

Reinhard Gorfer: Wir waren 2019 schon komplett mit den Umbauarbeiten im Restaurant fertig und in unserem Wohnbereich im ersten Stock war zumindest schon alles ausgebaut, dann ist der obere Stock abgebrannt. Bei den darauffolgenden Abriss- und Aufräumarbeiten haben wir unter dem alten Putz erst das Sgraffito entdeckt, das heute unsere Fassade ziert. Wir haben uns viele Gebäude angeschaut, die so etwas auch haben und haben es während der Corona-Zeit gemeinsam mit einem Restaurateur, unseren Mitarbeitern, Freunden und Verwandten in 3.000 Arbeitsstunden restauriert, anders wäre das nicht bezahlbar gewesen. Wobei das nicht gemalt wird, sondern ausschließlich gekratzt – eine Technik, die ursprünglich aus Italien gekommen ist. Die Motive stellen immer besondere Begebenheiten dar und erzählen so eine Geschichte. 


Unsere Basis sind die besten Produkte der Region und die verarbeiten wir optimal – in dem Stil, wie wir das gelernt haben.“

– Reinhard Gorfer

Klaus Egle: Die ganze Sanierung des Hofes ist aber auch eine abenteuerliche Geschichte…

Reinhard Gorfer: Ja, zwei Jahre vor dem Brand hatte ich einen schweren Unfall, wurde beim Graben einer Künette verschüttet und habe das nur ganz knapp überlebt. Aber weil ich natürlich sobald es wieder halbwegs ging, ständig in der Küche gearbeitet habe, hat mir unsere Betriebsausfallsversicherung nichts bezahlt. Daraufhin habe ich die gekündigt, aber nach dem Brand hätten wir die natürlich dringend gebraucht. Drei Tage nach dem Brand hätten wir ein Catering für 3.000 Leute machen sollen, dafür hingen sechs Ochsen im Kühlhaus und in der Küche hat nichts funktioniert. Da haben wir uns dann mit Notstromaggregaten halbwegs drübergerettet. Nach dem Brand haben wir Container hinter dem Haus aufgestellt, da haben wir mit den Kindern ein halbes Jahr gewohnt.

Klaus Egle: Und wie entstand hier das Wirtshaus, das wir heute sehen?

Reinhard Gorfer: Der Hof ist 350 Jahre alt und wurde von meiner Großmutter an meine Mutter vererbt und die hat ihn an mich weitergeben. Ich selbst war immer Koch und kochte damals nach Stationen etwa bei Heinz Hanner im Wienerwald, Johanna Maier in Filzmoos und Petermann in Zürich bei Carlo Wolf im Tanglberg, was wohl mein interessantester Betrieb war. Als ersten Schritt in die Selbständigkeit haben wir vor mehr als zwanzig Jahren zuerst den Tabor-Turm in Steyr gepachtet. Ich wollte dort Jakobsmuscheln, Gänseleber & Co. machen – aber das ist nicht aufgegangen. Es war nicht finanzierbar und wir hatten auch nicht die Klientel dafür. Dann habe ich mir gedacht, unsere Basis sollen ganz einfach die besten Produkte der Region sein und die wollen wir optimal verarbeiten – in dem Stil, wie wir das gelernt haben. Und so ist unsere nachhaltige Naturküche entstanden. 

Veronika Gorfer: Und da war es uns von Anfang an wichtig, möglichst viele Produkte selbst zu machen, weil da haben wir vom Anfang bis zum Schluss die Hand drauf und wissen, wie das Produkt entstanden ist und was drin ist. Da ist der Reini zum Glück sehr wissbegierig und tüftelt alles bis ins kleinste Detail aus, was sich natürlich sehr positiv auf die Qualität auswirkt.

Reinhard Gorfer: Manches hat sich auch aus der Not heraus ergeben. Bevor wir die Fische selbst zu züchten begannen, haben wir versucht, guten Süßwasserfisch zu bekommen. Aber da gibt es nur sehr wenig und das ist kaum bezahlbar. Wenn das Kilo 30 Euro kostet, können wir das im Restaurant nicht mehr kalkulieren. Darum haben wir 18 Kilometer von hier einen Bach von den Bundesforsten gepachtet und eine eigene Teichanlage gebaut. Da züchten wir hochwertige Fische für unser eigenes Lokal, für den Ab-Hof-Verkauf und für einige andere Gastronomiebetriebe. Wir haben uns zuerst viele Anlagen angeschaut um zu lernen. Bei uns müssen die Fische immer im bewegten Wasser stehen und es dürfen nur so viele sein, dass man von oben immer das Schotterbett sieht. 


Uns war es von Anfang an wichtig, möglichst viele Produkte selbst zu machen.

– Veronika Gorfer

Klaus Egle: Ein wichtiges Thema bei Ihnen ist die Rinderhaltung – ist das nicht auch eine große Herausforderung?

Veronika Gorfer: Wir haben mit sechs Mutterkühen und einem Stier begonnen. Heute haben wir 75 Rinder auf 45 Hektar Grünland wo sie 180 Tage im Jahr auf der Weide stehen. Wir haben ausschließlich Laufstallungen und versuchen, soweit es geht mit so viel Heu und so wenig Silage wie möglich durchzukommen, also so nachhaltig, wie nur irgend möglich.

Reinhard Gorfer: Meine Frau hat ja eine landwirtschaftliche Ausbildung aber am Anfang hatten wir von Rinderhaltung nicht viel Ahnung. Da haben wir gedacht, wir müssen irgendwo hinfahren wo man uns zeigen kann, wie das geht und das hat uns zuerst einmal nach Kanada gebracht. Die Kanadier sagen ja, wenn Du über ein Tier ein Dach baust, wird es krank. Die Tiere brauchen Tageslicht und frische Luft. In Saskatchewan, wo wir waren, stehen die in den sogenannten Feed-Lots teilweise bei minus 40 Grad im Freien und werden nur durch Palisaden vor dem Wind geschützt. Und die haben gesagt, sie brauchen das ganze Jahr keinen Tierarzt, obwohl dort ein Landwirt rund 1.000 Rinder hält. Dann sind wir zurückgekommen, haben uns mit anderen Landwirten unterhalten und sind draufgekommen, dass das so bei uns nicht geht. Wir haben zu viel Niederschlag und zu lehmige Böden und außerdem ist das in Österreich vorgeschrieben, dass ein Rind ein Dach über dem Kopf hat. So entstand dann ein großes Flugdach statt einem geschlossenen Stall. Das sieht zwar nicht schön aus, aber die Tiere fühlen sich irrsinnig wohl und wir haben kaum mehr Probleme mit Krankheiten.


„Die Kälber kommen im Jänner auf die Welt, dann gehen sie neun Monate mit der Mutter mit, bevor sie getrennt werden.“

– Reinhard Gorfer

Klaus Egle: Es geht ja auch darum, die optimale Rasse für den Standort zu finden. Wie ist es Ihnen damit ergangen?

Reinhard Gorfer: Wir haben verschiedene Rassen ausprobiert, weil wir immer auf der Suche nach dem besten Fleisch sind. Wir sind selber Genießer, gehen gerne gut essen und finden eigentlich das Wagyu am besten. Aber wir sind draufgekommen, dass die Leute immer weniger Fett essen wollen. Darum haben wir es schon mit Charolais, Limousin und Aubrac probiert und jetzt haben wir etwas ganz Neues, das sind die weißen Rinder aus dem Piemont. Die sind bei uns eine echte Rarität, es gibt momentan in Österreich gerade einmal 13 Stück, weil die Piemonteser kein Zuchtmaterial hergeben, aber das Fleisch ist so wunderbar mager und zart, dass ich es nach der Schlachtung sofort verwenden kann und nicht erst reifen lassen muss. Die Kälber kommen im Jänner auf die Welt, dann gehen sie neun Monate mit der Mutter mit, bevor sie getrennt werden. Erst danach werden sie ein bisschen intensiver gefüttert aber ohne Getreide. Ich bin der Meinung, eine Kuh ist kein Schweindl und die braucht darum auch kein Getreide um Milch und Fleisch zu produzieren, das ist schon ein tolles Tier. Es wird ja rund die Hälfte des Getreides, das weltweit produziert wird, an Tiere verfüttert und das ist für mich überhaupt nicht nachhaltig. 

Klaus Egle: Ihre Rinder werden auch am Hof geschlachtet, es gibt also keine Transportwege?

Reinhard Gorfer: Nein, nur einmal über die Straße. Da kommen externe Fleischhauer zu uns, die können das besser, und selbst machen wir nur die Fein-Zerlegung. Wir sind ein EU-zertifizierter Schlachthof, was mit einigem Aufwand verbunden ist. Das Rindfleisch hängt dann im eigenen Kühlhaus 21 Tage bei einem optimalen Reifeklima ab. So ein Rind hat aber eben nicht nur Edelteile, darum produzieren wir nebenbei pro Woche rund 400 Speisen im Glas für sieben Hofläden, das ist uns während Corona mehr oder weniger passiert obwohl wir das gar nicht angestrebt haben. 

Klaus Egle: Außer Rindern und Fischen haben sie auch eigene Schafe, wofür sind die da?

Reinhard Gorfer: Hier im Obstgarten haben wir Shropshire-Schafe, das ist die einzige Rasse, die keine Rinde abfrisst. Die mähen uns den Obstgarten aus, vertreiben die Mäuse und landen natürlich auch irgendwann in der Küche. Natürlich ist auch die Schafhaltung mit viel Arbeit verbunden aber für uns passt das so sehr gut. Wir haben da 300 Obstbäume, wir mussten die alle neu pflanzen, weil uns gleich am Anfang bei einem starken Regen der gesamte Hang mit den bestehenden Bäumen abgerutscht ist. Den mussten wir mit Unmengen von Schotter, die wir mit dem Bagger eingearbeitet haben, stabilisieren. Aber wir haben auch festgestellt, dass hier nicht alles funktioniert. Zum Beispiel haben wir 30 Marillenbäume mit sieben verschiedenen Sorten gepflanzt und bis heute noch kein Kisterl Marillen geerntet. 

Klaus Egle: Also passt nicht jedes Obst überall hin. Wie finden Sie heraus, was hier gut funktioniert?

Reinhard Gorfer: Das hier ist zum Beispiel ein Zukunftsapfel, er heißt Fiorina, ist gegen ganz viele Krankheiten resistent, muss darum überhaupt nicht gespritzt werden und schmeckt wunderbar. Den haben wir gefunden, weil wir ganz viele verschiedene „Probebäume“ gesetzt und dann geschaut haben, wie die funktionieren. Wir brauchen lagerfähige Äpfel, die wir für alles brauchen können – Saft, Most, Schnaps und natürlich für die Küche. 


Wir haben ganz viele Stammgäste, die genau das suchen, was wir bieten können.“

– Reinhard Gorfer

Klaus Egle: Sie sind ja hier in keiner zentralen Lage. Wo kommen da Ihre Gäste her?

Veronika Gorfer: Von Wien bis Vorarlberg, viele zum Beispiel auch aus der Steiermark. Wir haben ganz viele Stammgäste, die genau das suchen, was wir bieten können. Dabei sind wir relativ hochpreisig aber die Gäste schauen da auch nicht so auf den Preis, wenn ihnen rundum alles passt. Wir hatten kürzlich Gäste da, die seit 20 Jahren in Steyr sind, dort bei BMW arbeiten und schon alle guten Adressen zum Essen in der Region abgefahren sind. Schließlich kamen sie auch zu uns und haben uns fürchterlich geschimpft, weil sie uns erst jetzt entdeckt haben. Ihr müsst euch viel besser vermarkten!

Klaus Egle: Dafür gibt es ja den Wirtshausführer, wo ihr drinnen steht! Und Initiativen wie „Nachhaltig Wirten“, denn auch METRO ist es wichtig, Menschen wie euch, die ihre Visionen und Träume leben, vor den Vorhang zu holen.

Veronika Gorfer: Wir haben wirklich ein sehr vielschichtiges Publikum. Von Nachbarn, die einfach auf ein Seiterl hereinschauen über die Jungen, die meistens in Gruppen kommen, Geschäftsesser und Genießer, die regelmäßig bei uns einkehren bis zu Gästen, die vielleicht ein oder zweimal im Jahr da sind, wenn es einen besonderen Anlass zum Feiern gibt. 


„Was wir machen, das machen wir gern und aus voller Überzeugung.“

– Veronika Gorfer

Klaus Egle: Aus unserer Sicht ist der faire Umgang mit den Mitarbeitern ein wesentlicher Aspekt beim Nachhaltig Wirten. Was machen Sie, damit sich die Mitarbeiter bei Ihnen wohlfühlen und gleichzeitig bereit sind, viel zu leisten?

Veronika Gorfer: Wir haben unsere Mitarbeiter schon sehr lange und ich glaube, die würden für uns alle durchs Feuer gehen. Sie fühlen sich hier wohl, wir lassen sie teilhaben und sie leben im Grunde mit uns mit – und wir mit ihnen. Das Geld steht dabei sicher nicht im Vordergrund, sondern das gute Arbeitsklima. Unsere Köche kommen ja öfter zu uns, wenn sie noch ganz jung sind, da erlebt man halt auch gemeinsam so Höhen und Tiefen. Da hat einmal einer den Führerschein verloren, dann haben wir ihn einfach kurzerhand bei uns einquartiert. Nur die Beiköche rotieren öfter, weil die sich natürlich verschiedene Häuser anschauen aber ich glaube von insgesamt sechs, die wir hatten, sind inzwischen vier selbständig geworden und zwei sind sehr erfolgreiche Küchenchefs in großen Betrieben. 

Klaus Egle: Sie machen praktisch alles selbst, von der eigenen Rinderzucht über die Schafhaltung bis zur Fischzucht, vom Brotbacken über Säfte und Schnäpse bis zur Marmelade. Wie geht sich das alles aus?

Veronika Gorfer: Was wir machen, das machen wir gern und aus voller Überzeugung und das ist vielleicht auch in bisschen unser Geheimnis.